Moskau – Um das Land für die Corona-Pandemie zu rüsten, erlaubt die Regierung für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Ausnahme von den strengen Regeln zur staatlichen Beschaffung.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

In der Coronakrise weicht Russland die Regeln zur Importsubstitution auf, dabei hatte die neue Regierung sie ursprünglich verschärfen wollen. Der Antikrisenplan der Regierung vom 17. März 2020 sieht Ausnahmeregelungen bei der öffentlichen Beschaffung von Medizinprodukten und Medizintechnik vor. Das Prinzip „dritter Anbieter überflüssig“ soll zeitweise ausgesetzt werden (Punkt 1.16). Es besagt, dass ausländische Anbieter automatisch aus dem Vergabeprozess ausgeschlossen werden, wenn zwei Angebote von Herstellern aus Mitgliedsländern der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) vorliegen. Bis 30. April 2020 soll ein entsprechendes Gesetz verabschiedet werden.

Im Fokus dieser Maßnahme stehen vor allem Beatmungsgeräte. Am 23. März 2020 stellte die Regierung 7,5 Milliarden Rubel (rund 87,4 Millionen Euro) für den Kauf von 5.700 Geräten zur künstlichen Beatmung und zur extrakorporalen Membranoxygenisierung (ECMO) bereit. Ein Teil der Ausrüstung soll aus Russland kommen. Doch durch die Ausnahmeregelung können auch ausländische Hersteller bei staatlichen Ausschreibungen zum Zug kommen. Die Einfuhren von Beatmungsgeräten beliefen sich 2019 auf rund 115,6 Millionen Euro – minus 5,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, meldet der Föderale Zolldienst. Die Importe aus Deutschland waren 21,8 Millionen Euro wert.

Die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) senkt bis 30. Juni 2020 die Einfuhrzölle für eine „Liste kritischer Importgüter“ auf Null, darunter bestimmte fertige Arzneimittel und Medizinprodukte (u.a. Endoskope, berührungslose Thermometer, Einwegpipetten, mobile Desinfektionsgeräte).

Außerdem erhebt die EAWU bis 30. September 2020 keinen Einfuhrzoll auf bestimmte Medizinprodukte zur Behandlung von Coronavirus-Patienten (zur Liste). Am 3. April 2020 wurde diese Warenliste um Thermobeutel, Folien zum Verschließen von Flaschen und medizinische Gefriergeräte erweitert.

Darüber hinaus hat Russland bereits 2015 eine Liste von Medizinprodukten festgelegt, deren Einfuhr und Verkauf von der Mehrwertsteuer befreit ist. Diese wurde zuletzt durch die Verordnung Nr. 419 vom 2. April 2020 ergänzt.

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